Die Jazzplatte des Jahres 2013 & Porträt eines Visionärs!
 

 

"Erzähl' eine Geschichte! Was spielst Du, nachdem Du 'Once Upon a Time' gespielt hast? Was kommt als Nächstes?" - Wayne Shorter

 

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Mit dem Saxofonisten Wayne Shorter zu sprechen, ist eine mystische Angelegenheit. Zwischendurch verläuft das Gespräch wie ein Bewusstseinsstrom: Ideen schweben im Raum, die sich natürlich verdichten. Aber die Richtung der Konversation kann sich plötzlich ändern. Da sind Referenzen zu Filmausschnitten (Shorter ist ein großer Filmfan), als auch Verweise zu Büchern und Zitaten aus den Wissenschaften und der Philosophie. Der Diskurs ist niemals oberflächlich oder führt in die Irre. Es ist stets ein angenehmes Gespräch. Und geistreich.

Wayne Shorter blickt auf das Leben mit einem Funkeln im Auge. 2012/2013 war das spezielle Jahr seines 80sten Geburtstags. In zahlreichen Konzerten um den Globus wurde er gefeiert. Über all' diese Jahre hinweg hat er sich eine besondere Kindlichkeit erhalten. Aus dem Mund des Saxofonisten kommt nie Heuchelndes, er sagt alles frei heraus und er ist authentisch geblieben. Shorter ist neben seiner Eigenschaft als äußerst kreativer Künstler einfach ein netter Kerl. "Er ist einer der kreativsten Musiker aller Zeiten", sagt der Trompeter Wallace Roney. "Der netteste Genius, den Du jemals treffen kannst", sagt John Patitucci, Bassist im Wayne Shorter Quartett seit mehr als 10 Jahren. "Er ist ein Musiker auf höchsten kreativen Niveau. Ich lernte jede Menge von ihm, allein durch seine Anwesenheit. Ich bin wirklich gesegnet mit ihm zusammen Musik machen zu können. Wayne ist zudem ein wundervoller Mensch, generös, freundlich und sehr engagiert."

"Er ist einer der großen Meister", sagt Schlagzeuger Jack DeJohnette, der mit Wayne Shorter in Miles Davis' Band von 1969 zusammenspielte. "Er hat eine solche Phantasie und setzt diese mit seinem Instrument genial um. Und er schreibt aufregende Kompositionen. Er ist wirklich ein fantastischer Künstler!".

Shorter's Quintett, mit John Patitucci am Bass, Danilo Perez am Klavier und Brian Blade am Schlagzeug ist das Beste, was der Jazz heute zu bieten hat und gleichzeitig auch das Konzentrat Shorter's Kunst in Form und Improvisation. Die Konzerte dieser Band sind Beispiele für ein Jazzensemble-Spiel in Vollendung. Die Themen wechseln ständig. Es kann wild sein, aber zur selben Zeit klingt die Gruppe als einheitliches Ganzes. Keine andere Jazzband spielt so sehr "in-dem-Moment" und die Spielfreude der Musiker ist offensichtlich. Sie gehen in ihrer Musik verloren. Sie entdecken Neues.

Mit der Veröffentlichung "Without a Net" ist ihnen der Coup des Jahres 2013 gelungen! Der Kern, die Bedeutung des Wortes "Jazz" ist für Wayne Shorter die Devise "Ich wage etwas!" Und er beweist es eindrucksvoll!

"Spiel' keinen Musikunterricht", würde Schlagzeuger Art Blakey sagen, dessen Stimme noch gegenwärtig ist wie eh und je, obwohl er bereits 1990 verstarb. "I ton' wanna hear that. Tell me a Story! Und Miles Davis, ebenfalls schon lange nicht mehr unter uns würde sagen: "Warum spielst Du das, spiel' was Du denkst und fühlst. Spiel keine Musik! Erzähl eine Geschichte!"

CD: Wayne Shorter - Without a Net
Label: Blue Note

 

 

Text: Jan Fritz
Recherche: Karim Bouhageb, Artistpress