Caillebotte Total

Impressionistische Alchemie
Ein Liederabend im Institut francais in Bremen am 02.10.08

caillebotte-total.jpgDas Institut francais de Brême lud ein zu einem Liederabend, der Alchemie verhieß. Alchemie, die Chemie des Mittelalters, lebte von der Vorstellung, einen Stoff in einen anderen überführen zu können. Gemeint war hier der Versuch, zwei französische Brüder aus der Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts aufleben zu lassen, die unterschiedlichen Kunstrichtungen folgten und recht unbekannt blieben als Meister ihrer Kunst. Ganz zu Unrecht, kann sagen, wer ihre Kunst erlebte. Die Rede hier ist von Gustave und Martial Caillebotte. Die Bremer Kunsthalle widmete dem Maler und Meister des impressionistischen Bildes Gustave Caillebotte eine Ausstellung, die am 05. Oktober 2008 endet.


Damit wurde dem Bremer Publikum eine Exklusivität geschenkt, die ihresgleichen sucht. Nur wer die Bilder Caillebottes gesehen hat, kann ermessen, was der Zeitgenosse und Freund Degas, Manets und Monets geschaffen hat. Es erwartet den Betrachter seiner Bilder eine unerhörte Perspektive, ein Blick auf Parkettschleifer, Ruderer, Angler, Plätze oder Landschaften mit einer Farbgebung, die ihresgleichen sucht und einen feinen Pinselstrich, der nahezu atemlos macht. So mancher Besucher der Ausstellung machte seine Runde ein zweites und drittes Mal und fragte sich, wieso wir von Gustave Caillebotte vorher nur als Sammler hörten.

Und nun schickte sich das Institut francais an, uns noch einen Caillebotte zu präsentieren?
Dargeboten wurden in ersten Teil des Liederabends Werke von Debussy und Fauré. Es sang die Sopranistin Lucie Mayer, begleitet wurde sie vom Pianisten Alessandro Amoretti. Großartige Musiker, die beide sind, schenkten sie den Zuhörern einen unvergesslichen Abend. Les Berceaux (Die Wiege) von Gabriel Fauré war getragen von Trauer, der tiefe Moll verdichtete die Luft des kleinen Saals so sehr, das wir kaum mehr atmen konnten. Lucie Mayer mit ihrer ausdrucksvollen Stimme, dem starkem Timbre und dem vollen Volumen arbeitet hervorragend mit dem Pianisten Alessandro Amoretti zusammen, was den Chansons von Debussy La Flûte de Pan, La Chevelure und Le Tombeu des Naiades sehr gut bekam. Herr Amoretti selbst beeindruckte das Publikum mit seinem Spiel und den Préludes Debussys ...des pas sur la neige, Minstrels und la cathédrale engloutie. Letzteres riss das Publikum zu Beifallsstürmen hin, denn der Ausdruck und die Kraft dieser Musik übertrug Amoretti ohne Verlust auf sein Spiel.

Die tatsächliche Überraschung aber gelang nach der Pause. Das Auditorium lernte Martial Caillebotte kennen, der in seiner Komponierlust temporeiche, fröhliche oder getragene Stücke schuf. Diese lebendige und temperamentvolle Musik, hochmodern in der Zeit Mitte des vorletzten Jahrhunderts, gab beiden Musikern die Möglichkeit, über sich selbst hinauszuwachsen. Caillebotte scheint mit jeder Note gespielt zu haben, manche Motive seines Bruders finden wir in der Musik wieder, den leichten Schlag der Ruder, das bunte Treiben auf den Plätzen der Stadt oder das Aufschlagen der Regentropfen auf einer Wasseroberfläche. Diese Musik macht einfach Spaß, es ist, als hätte Herr Caillebotte mit einem Lächeln komponiert. Lucie Mayers Gesang scheint ein eigenes Leben zu führen, das Pianospiel des Alessando Amoretti ebenso, und doch hat der Komponist es verstanden, beides perfekt zu verbinden, variierend und doch so harmonisch.

Am Ende dieses Liederabends wollte das Publikum nicht ablassen von den Künstlern und verlangte Zugaben, die es auch bekam. Anschließend verließ nicht nur ich ziemlich verblüfft das Institut francais, das uns die Bekanntschaft mit einem weiteren Herrn Caillebotte offenbarte, von der wir nicht ahnten, was uns bisher verborgen geblieben war.

Autor: Birgit Jacobsen-Farber für JAZZMEDIA & MORE



Weiterführende Links zum Thema:

Webseite Institute Francaise Bremen
Webseite Austellung "Über das Wasser" in der Kunsthalle Bremen
Werkverzeichnis Martial Caillebotte bei Klassika - die deutschsprachigen Klassikseiten