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Jazz ist beliebt in Polen – und zwar besonders bei Jüngeren. Die Liste der Jazzfestivals scheint schier endlos und reicht von kleineren Veranstaltungen im ganzen Land bis zu international beachteten Festivals. Hinzu kommen unzählige Clubs in allen größeren Städten.

 

 

"Krakau ist die lebendigste Jazzstadt Europas. Mit seinen vielen Kellerkneipen und Clubs ist die Stadt im Grunde ein einziges Dauerfestival", sagt der Leiter des Darmstädter Jazzinstituts, Wolfram Knauer.


"Katabomben-Jazz" als Ausdruck der Freiheit


Die heutige Popularität ist eng mit der Geschichte des Landes verwoben. Als Volksrepublik in den Ostblock eingebunden, war Jazzmusik ein "Ventil für den Freiheitsdrang der Polen".  Mit dem ersten halboffiziellen Jazzfestival im Jahr 1954, dem Krakauer Allerseelenfestival (Krakowskie Zaduszkie Jazzowe), wurde die eigenständige polnische Jazztradition geboren. Elemente des polnischen Klaviervirtuosen Chopin und volkstümlichen Arrangements wurden zum Kennzeichen des "Polski Jazz", der sich damit ein Stück weit vom amerikanischen Ursprung absetzte. Zwei Jahre später kamen 25.000 Menschen zum ersten internationalen Jazzfest nach Sopot an der polnischen Ostseeküste. Das Zentralkomitee der polnischen Arbeiterpartei beschrieb die Atmosphäre des Festivals als "Zwischending zwischen Chopin-Wettbewerb und Fußballspiel." In Sopot feierte auch der legendäre Pianist Krzysztof Komeda sein Debüt vor großem Publikum.


Krzysztof Komeda trägt die Musik bis nach Hollywood


In den 1960er-Jahren überragte Komeda dann als Jazz- und Filmmusik-Komponist das Geschehen. Bis zu seinem frühen Tod 1969 komponierte er für zahlreiche Roman Polański-Streifen, etwa "Tanz der Vampire" oder "Rosemaries Baby". Sein Album "Astigmatic" - eingespielt 1965 unter anderem mit Tomasz Stańko - gilt als die einflussreichste Jazzplatte in Polen und beeinflusst bis heute junge Musiker.
Adam Makowicz, Tomasz Stańko, Michal Urbaniak, und Jan "Ptaszyn" Wroblewski - so hießen die Stars der 1970er-Jahre. Mit ihrem virtuosen Spiel begeisterten sie die Jazzfans in Ost und West gleichermaßen und genießen bis heute Kultstatus. Das 1981 verhängte Kriegsrecht zwang dann eine Reihe von Musikern ins Exil. So auch Janusz Stefański, der sich zu dieser Zeit für Aufnahmen in Frankfurt befand und dort blieb. Später gründete er mit dem ebenfalls emigrierten Leszek Zadlo das "Polski Jazz Ensemble". Trotz der angespannten Situation konnte Jazz-Legende Miles Davis 1983 im Warschauer Kulturpalast auftreten. Überhaupt war die Szene trotz Eisernen Vorhangs gut vernetzt.

Slawische Melancholie trifft auf Chopin


In den letzten Jahren belebt eine Generation junger Musiker den polnischen Jazz aufs Neue. Die Szene zählt nach wie vor zu den aktivsten in Europa. Sie besticht durch eine bunte Mischung der musikalischen Legenden, den vielen Talenten und ehemaligen Exilmusikern, die Erfahrungen anderer Länder in die polnische Musiklandschaft einfließen lassen. Für Jazz-Experte Wolfram Knauer zeichnet sich der "Polski Jazz" durch "slawische Melancholie" und den Einfluss Chopins aus. "Die polnische Szene reicht an ihren Maximalpolen von Stimmungsorientierung bis zur klassischen Virtuosität", meint Knauer.

2003 war der US-Pianist Keith Jarrett in Warschau - damals prognostizierte die Zeitschrift Tygodnik Powszechny für Polen: "Vielleicht liegt die Zukunft dieser amerikanischen Musik in Europa." Heute steht fest: Rock und Pop sind auf dem Vormarsch; doch Jazz ist nach wie vor fester Bestandteil polnischer Kultur.

Talentschmiede

Im gegenwärtigen Jazz gibt es schon wieder jede Menge polnische Talente zu entdecken. Eines dieser interessanten Musiker ist Marcin Losik, ein feinfühliger Pianist, der mit seinem Trio die klassische Form der Piano-Bass-Schlagzeug Schule seines Vorbilds Bill Evans wählt, um seine eigenen slawischen Wurzeln in den modernen Jazz zu übertragen. Dies gelingt und ist ein Beispiel für die lebendige Auseinandersetzung polnischer Künstler mit dem Jazz und ihrem musikalischen Erbe. Das US-amerikanische Label Dot Time Records www.dottimerecords.com ist auf Marcin Losik aufmerksam geworden und wird sein Debütalbum im Mai 2015 veröffentlichen. Ein erster großer Erfolg für Marcin Losik, hat das Label sich doch auch entschlossen, ihn und sein Trio nicht nur in Europa sondern auch in den USA und in Japan bekannt zu machen!


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Weiterführende Informationen zu Marcin Losik und seinem Trio unter:

http://www.marcinlosik.com/